06.11.2024

Nachhaltiger Tourismus als Geschäftsmodell und Bildungslandschaft

Es spricht sich bei den Touristiker:innen herum, dass eine wachsende Zahl der Zielgruppen, also unsere „guten Gäste“, auf Nachhaltigkeitsaspekte Wert legen. Das gilt ganz allgemein und wird als ein zeitgemäßes Qualitätsmerkmal bei touristischen Dienstleistungen verstanden. Einfach ist das nicht, denn es bedeutet zusätzlichen investiven und organisatorischen Aufwand, mehr interne Kontrolle und Bürokratie und weitere Wissenskompetenzen beim Betrieb eines Hotels, von Festivals, Vergnügungsparks oder SPA-Anlagen. Mülltrennung und -vermeidung, sichtbarer Klima- und Ressourcenschutz oder gesunde Ernährung werden zu ebensolchen Selbstverständlichkeiten in touristischen Routinen, wie Hygiene in der Küche und Gastfreundlichkeit an der Rezeption.

Es gibt nun in Mecklenburg-Vorpommern eine Vielzahl von Regionen, die nicht die Ostsee oder die Müritz mit ihren Strandträumen haben, sondern diverse Kultur-Naturlandschaften sind. Noch sind sie nicht im Fokus des Massentourismus, weil ihre innere Vielfalt standardisierten Geschäftsmodellen im Wege steht. Hier ist ein Ansatz, der aus der Last der Nachhaltigkeit, wie sie oben beschrieben wurde, eine Entwicklungschance machen kann. Nämlich Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell zu gestalten: Kultur- und Naturräume wie Stettiner Haff, Feldberger Seen, Mecklenburgische Schweiz, Parkland usw. sind Destinationen, die Kultur- und Naturtourist:innen mit Bildungs-, Erfahrungs-, Erlebnisansprüchen anziehen. Bei den Besucher:innen prägen sich hier sehr spezifische Erwartungen an nachhaltige Angebote aus. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sie originäre Destinationen, nicht wiederholbar und als Teil regionaler Identität in Gänze zu pflegen sind, dass sie nicht auf Folklore reduziert werden können, sondern mit ihrer Geschichte in die Gegenwart und zukünftigen Umbrüche einzupassen sind; dass sie neben nachhaltiger Ausstattung und nachhaltigem Service in den einzelnen touristischen Häusern kooperative Touren und Erlebnisangebote sowie eine nachhaltige Willkommenskultur in der Region entwickeln. Nachhaltige Geschäftsmodelle der Unternehmen setzen also auf einer kollektiven, gemeinsamen nachhaltigen Regionalstrategie der Verwaltungen, Umwelt- und Kultureinrichtungen und der Touristiker:innen auf.

Man kann das auch als Erwartungen an moderne touristische Kompetenzen benennen: Wissen über naturnahe Bau- und Ausstattungsstoffe, klimaneutrale Energieversorgung, gesunde und nachhaltige Küche, reproduktives Umfeld, Gemeinwohlorientierung. Egal wofür man sich im Einzelnen entscheidet: es ist sinnvoll, sich weiter zu qualifizieren.

Dafür braucht es eine passende Lern-Infrastruktur. Natürlich sind die Angebote der Tourismusverbände in Mecklenburg-Vorpommern äußerst hilfreich. Und das ZMV+ bietet neben Einführungsveranstaltungen in das Thema des nachhaltigen Tourismus seit 2024 Übungs- und Gestaltungsworkshops für unterschiedliche Geschäftsmodelle nachhaltigen Tourismus an. Da aber gerade Nachhaltigkeitsansätze kollektiven und kooperativen Charakter haben, regional verortet sind und ihre größte Wirkung in einem gemeinsamen, strategischen Tourismuskonzept entfalten bietet sich noch eine weitere Angebotsstruktur an: die regionale, digital unterstützte Bildungslandschaft. Diese Infrastruktur kombiniert verschiedene E-Learningformate und Infotools mit analogen Lernorten und -anlässen und professionalisiert sich auf Lernbedarfe der Region, also auf Lernbedarfe der einzelnen Unternehmen und ihrer kooperativen Vorhaben. Die Ausrichtung ist dann nicht in erster Linie der Wissenserwerb, sondern das Machen, das Umsetzen eines Vorhabens, für welches Wissen und Beratung benötigt wird. In der Mecklenburgischen Schweiz ist in diesem Sinn und als Pilot eine nützliche Lerninfrastruktur für die regionalen Entscheider in Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft aufgebaut worden www.unsereschweiz.de/bildungslandschaft.

Bei dieser geht es um die regionalen Veränderungen, die heutzutage ein wichtiger Entwicklungsfaktor geworden sind. Es stehen mehr und mehr Herausforderungen an, die mit weniger Ressourcen gestemmt werden sollen. Klimakrise, andere Landnutzung, demografischer Wandel, Ungleichheit, digitale Welten und KI – es sind dicke Bretter.

Mittels unterschiedlicher Formate der Bürger:innenbeteiligung (Bürger:innenversammlung, Bürger:innenrat, u.a.) wurde nach den wichtigen Handlungsfeldern, also den grundsätzlichen Entwicklungstrends und deren Bedeutung für die Region, geforscht: es sind regenerative Energien, nachhaltiges und zirkuläres Bauen, Änderung der Landnutzung (was in der Region vor allem auf die Moorvernässung zielt) und Kultur als treibender Entwicklungsfaktor; und als Querschnittsthema digitale Unterstützungssysteme.

In verschiedenen Arbeitsschritten entstand dafür eine Webseite mit vernetzten Lernorten. Im Zentrum ist

(1) die Bildungslandschaft, die Hintergrundwissen zu den Handlungsfeldern, gute Beispiele, unterschiedliche Optionen und Gelingensbedingungen in verschiedenen E-Learning-Formaten anbietet, einen Veranstaltungskalender zeigt und über neue Erkenntnisse und veränderte Rahmenbedingungen berichtet;

(2) die Projektschmiede, die das Angebot macht, Ideen von Transformationsmaßnahmen zu Projekten zu entwickeln, zu planen und umzusetzen und dabei sowohl auf die Lernmodule aufsetzt als auch konkrete Bedarfe triggert. Sie ist letztlich der Kern der Bildungslandschaft, da sie den Lernraum für transformatives Lernen, was Machen bedeutet, bietet.

(3) Mit der Einbindung der Lernplattformen des Kulturnetzes und der Raumpioniere wurde das Prinzip eines „Ladens mit mehreren Eingangstüren“ angewandt. So können Interessierte aus den Netzwerken über ihre Webseiten unmittelbar auch die Bildungslandschaft nutzen. Die themenspezifischen Lernorte sind dazu da, im Detail Handwerkzeuge für Umsetzungsprojekte zu erlernen. Das Vorhaben wurde innerhalb des Programms Region gestalten des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung gefördert.

Diesen Ansatz werden wir für die Entwicklung und Umsetzung des Tourismuskonzepts Mecklenburgische Schweiz adaptieren – auch modellhaft. Der Kulturführer, der schon entwickelt ist, ist eine hilfreiche Grundlage.

Verfasst von:

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