04.01.2023

Strukturen beruflicher Weiterbildung:Weiterbildungsverbünde als Lösungsweg zur Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung in KMU(?)

Der Weiterbildungsbegriff ist in Deutschland zwar konkret definiert, lässt jedoch auch Raum für viele Weiter- und Neuinterpretationen. Dies ist mit der weitestgehend offenen sowie vorwiegend ungeregelten Struktur des Weiterbildungssystems zu erklären, welches auf verschiedene Herausforderungen und Anforderungen zugleich trifft. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass die Weiterbildung immer wieder als der „Schlüssel“ verschiedenster Veränderungen des Arbeitsmarktes und der Gesellschaft beschrieben wird: Der Schlüssel zur Fachkräftesicherung und zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, der Schlüssel zur Sicherung der eigenen Beschäftigung, zur persönlichen und unternehmerischen Weiterentwicklung sowie zur Teilhabe oder der Schlüssel zur Einbindung notwendiger ökologischer Wandlungsprozesse im eigenen Unternehmen und schlussendlich der Schlüssel zum lebenslangen Lernen. Ohne Fortschritt und Reaktion auf Veränderungsprozesse ist nicht nur die eigene Arbeitsstelle bedroht, sondern auch das Wachstum von Unternehmen selbst und oder der gesellschaftliche Wohlstand.

Deutlich wird also, dass die Weiterbildung sowohl die Antwort auf Veränderungen ist, gleichermaßen jedoch auch Voraussetzung, um unsere Gesellschaft voranzubringen – zusammenfassend also ein System auf dessen „Schultern“ eine große Verantwortung lastet. Demzufolge ist es umso wichtiger, dass (berufliche/betriebliche) Weiterbildungsangebote bedarfsgerecht und zielgruppenadäquat gestaltet werden, um gewünschte positive Veränderungsprozesse auszulösen. Doch damit nicht genug: Auch die Beteiligung an Weiterbildungen spielt hierbei eine wichtige Rolle, da sonst individuelle und organisationale Entwicklungsprozesse ausbleiben und die Weiterbildung nicht als der Schlüssel fungiert, wie es eingangs dargestellt wurde. Dies sind auch Ziele, die im Zuge der Nationalen Weiterbildungsstrategie verfolgt werden, die nicht nur bedarfsgerechte Weiterbildungen – vor allem für KMU – und den Aufbau digitaler Kompetenzen, sondern auch den Anstieg der Weiterbildungsbeteiligung in den Blick nimmt.

Die Weiterbildungsbeteiligung von Einzelpersonen und Betrieben*

Konkret lag die Beteiligung von Personen in Deutschland an verschiedenen individuellen, berufsbezogenen oder nicht-berufsbezogenen Weiterbildungen im Jahr 2020 laut der Adult Education Survey nach Befragung von ca. 5.000 Probanden bei ungefähr 60 Prozent, wobei es im Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland nur geringe Unterschiede gab. Deutlich wurde im Zuge der Umfrage jedoch, dass die Beteiligung an verschiedenen Weiterbildungsangeboten in Ostdeutschland von 48 Prozent im Jahr 2018 auf 58 Prozent im Jahr 2020 anstieg, was einer signifikanten Erhöhung entspricht – trotz der Corona-Pandemie, die in einigen Fällen auch Absagen und Verschiebungen geplanter Weiterbildungen zufolge hatte. Diese Zahlen scheinen im ersten Moment sehr positiv, aber eine Auswertung der Weiterbildungsbeteiligung der Betriebe in einer Befragung des IAB, die auch im Berufsbildungsbericht 2022 ausgewertet wurde, zeigte nach einem ersten Anstieg der Bereitstellung von klassischen (in der Regel nicht-digitalen) betrieblichen Weiterbildungsangeboten in Firmen einen starken Einbruch infolge der Corona-Pandemie. Der IABForschungsbericht ergab zudem, dass insbesondere Kleinst-, Klein- und mittlere Unternehmen im Vergleich zu Großunternehmen bereits vor der Krise eine geringere Beteiligung an Weiterbildungen hatten, aber die durch die Pandemie ausgelöste Unsicherheit, die fehlenden finanziellen Ressourcen sowie der Ausfall von Präsenzveranstaltungen führten zu einem hohen Rückgang der Teilnahme an Weiterbildungsangeboten.

* Die in diesem Absatz verwendeten Quellen beziehen sich auf verschiedene Studien des IAB sowie der Adult Education Survey und zusammenfassend auf den Berufsbildungsbericht 2022.

 

In der Regel erfolgten laut Befragungen des IAB und der Adult Education Survey die tatsächlich zur Verfügung gestellten Weiterbildungen als Online-Angebot, aber auch durch selbstständiges Lernen mithilfe verschiedenster Medien, wie Online-Tutorials (v.a. in der beruflichen Weiterbildung) oder ELearning allgemein (v.a. in der betrieblichen Weiterbildung) – häufig waren diese Weiterbildungen bereits vor der Pandemie als Online-Angebot konzeptioniert oder konnten als Reaktion auf die Pandemie digitalisiert werden.

Augenfällig ist dementsprechend, dass digitale Weiterbildungsangebote inzwischen stark dominieren – eine Veränderung, die sich auch auf die bisher bekannten Strukturen der Weiterbildung auswirkt und unter Umständen den Weg für ganz neue, langfristig digitale, Strukturen beruflicher Weiterbildung ebnen könnte. Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern als Flächenland mit überwiegend ländlichen Strukturen, welches ebenfalls die Auswirkungen des demografischen Wandels bei der Suche nach Fachkräften stark wahrnimmt, sind digitale Angebote eine Lösung, um räumliche Grenzen schnell zu überwinden und die Beteiligung an Weiterbildungen auf diesem Wege zu erhöhen – allerdings müssen Teilnehmer:innen auf diese Art des Lernens technisch, aber vor allem auch persönlich (Motivation, Lernstrategien, Lernzeiten) gut vorbereitet werden. Darüber hinaus gibt es weitere Herausforderungen, die die Weiterbildungsbeteiligung der KMU hemmen. Dazu zählen unter anderem personelle und zeitliche Kapazitäten – ohne ausreichend Fachkräfte können die verbleibenden Fachkräfte nicht unbedenklich für Weiterbildungen freigestellt werden, ohne Probleme in Betriebsabläufen zu forcieren, womit im Umkehrschluss auch zeitliche Engpässe bei Inanspruchnahme von Weiterbildungen einhergehen. Eine häufige Konsequenz daraus ist, dass Weiterbildungen aufgeschoben werden oder gänzlich ausbleiben.

Erneuerung der Strukturen der Weiterbildung durch Weiterbildungsverbünde

Um die beschriebenen Herausforderungen zu bewältigen, ist im Zuge der Nationalen Weiterbildungsstrategie der Aufbau von Weiterbildungsverbünden vorgesehen. Weiterbildungsverbünde werden vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales als „Netzwerke“ beschrieben, „[…] bei denen mehrere Unternehmen und Akteure der Weiterbildungslandschaft sowie regionale Arbeitsmarktakteure Kooperationen eingehen, sodass Weiterbildungsmaßnahmen ressourceneffizient über Betriebsgrenzen hinaus organisiert und durchgeführt werden können“. Diese Netzwerke dienen dem Austausch, der Lösungsfindung und der Weiterbildungsbedarfsermittlung, um die Weiterbildungsbeteiligung anzukurbeln und Angebote zu verbessern. Der Aufbau sowie der Einsatz der Verbünde hätte einen großen Einfluss auf die bestehende Struktur des Weiterbildungssystems, da Einzelinitiativen nun gebündelt werden und aus einem „Einzelkämpfersystem“ ein „Teamsystem“ entstehen könnte. Ob durch den Digitalisierungsschub oder durch Weiterbildungsverbünde das bis jetzt bestehende System der Weiterbildung unter Einfluss der aktuellen Entwicklungen einer Erneuerung bedarf, ist noch nicht eindeutig geklärt. Im Zuge des Forums der Arbeitsgemeinschaft Berufsbildungsforschungsnetz (AG BFN) am 29. und 30. November 2022, ausgerichtet von der Universität Rostock sowie der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, wurden unter dem Titel „Strukturen beruflicher Weiterbildung zwischen ‚New Work‘, demografischem Wandel und sozioökologischer Transformation“ Experten aus der Weiterbildungsforschung und -praxis eingeladen, um sich genau dieser Thematik und Diskussion anzunehmen.

AGBFN-Forum: Strukturen beruflicher Weiterbildung zwischen ‚New Work‘, demografischem Wandel und sozioökologischer Transformation

Das Ziel des zweitägigen Zusammentreffens lag darin, die bestehenden Strukturen der Weiterbildung im Rahmen gesellschaftlicher Veränderungsprozesse aus Forschungs- und Praxisperspektive zu analysieren, zu vergleichen und zu diskutieren. In drei parallelen Vortragssessions mit insgesamt 24 Beiträgen, umrahmt von drei Keynotes, wurden diesbezüglich vier Leitfragen diskutiert. Abschließend wurden die gesammelten Eindrücke in einem World-Café zusammengeführt und im Diskurs anhand vier zentraler Aspekte erörtert. Neben „Beratung und Begleitung“, „Weiterbildungsmonitoring“ und „KMU-Unterstützung“ bildete die Thematik „Weiterbildungsverbünde“ ebenfalls eine Diskussionskategorie. Deutlich wurde in allen Diskussionsrunden – ähnlich zu der Nationalen Weiterbildungsstrategie –, dass das Erfassen der (unternehmerischen, individuellen, persönlichen, zukunftsfähigen) Weiterbildungsbedarfe sowohl eine Herausforderung als auch einen notwendigen Schritt für zukünftige Weiterbildungsstrukturen darstellt. So ist sicherzustellen, dass der Bedarf für Weiterbildungen korrekt erfasst wird, um entsprechende Angebote unterbreiten oder gar konzipieren zu können – als Herausforderung bleibt diesbezüglich dennoch das korrekte Erkennen der tatsächlich vorliegenden Bedarfe, denn hierzu benötigt es zum Teil tiefergehende Beratungen der Unternehmen, da die Bedarfe nicht immer gleich ersichtlich sind oder gar von den Unternehmen konkret benannt werden können.

Die Teilnehmenden der Diskussion stellten hierbei ebenfalls fest, dass durch die vernetzten Strukturen eines Weiterbildungsverbundes die Bedarfsermittlung im Vergleich zur bisherigen Situation erleichtert werden könnte. Dazu ist es laut der Teilnehmenden zuvor jedoch zwingend notwendig, dass das Problembewusstsein und die Notwendigkeit von Weiterbildungen deutlich gemacht werden müssen – bevor Unternehmen und Arbeitnehmer:innen dementsprechend konkrete Bedarfsermittlungen zulassen, müssen diese die Bedeutsamkeit und den Nutzen der Weiterbildungsbeteiligung erkennen. Hierbei können Zukunftszentren erste Beratungsansätze schaffen und das Problembewusstsein deutlich machen, während der Verbund selbst zum Träger und Organisator der Weiterbildung werden könnte, sodass der Organisationsaufwand zur Beschaffung von Weiterbildungen für Unternehmen reduziert und gleichzeitig die Kosten der Weiterbildungen gesenkt werden könnten. Im Zuge der Diskussion wurde aber auch deutlich, dass der Weiterbildungsverbund eine derartige Komplexität aufweist, dass dieser nur in kleinen Schritten und mit fortlaufenden Evaluationen sowie unter Rückgriff auf bestehende Netzwerke und unter Einhaltung von Transparenz ins Leben gerufen werden sollte, um die an den Verbund gestellten Erwartungen erfüllen zu können.

Weiterbildungsverbünde als Lösung zur Steigerung der Weiterbildungsbeteiligung in KMU

Zusammenfassend können die Vernetzungsstrukturen eines Weiterbildungsverbundes sowie die offensichtlichen Vorteile in Bezug auf die Verringerung des organisationalen und monetären Aufwandes für Weiterbildungen sowie die Erstellung eines bedarfsgerechten Weiterbildungsangebotes durchaus einen Anstieg der Weiterbildungsbeteiligung bewirken. Die Weiterbildungsbeteiligung von KMU ist jedoch an ein Netz von Herausforderungen geknüpft. Wie beschrieben sind personelle und zeitliche Engpässe in KMU häufig Grund für eine zurückhaltende Beteiligung an Weiterbildungen. Auch ein Weiterbildungsverbund kann nicht zwangsläufig diese Herausforderungen für die KMU bewältigen – zur Gestaltung eines zukunftssicheren und fortschrittlichen Unternehmens, welches die eigenen Fachkräfte und die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer:innen sichern will, bleiben die Eigeninitiative dieser Unternehmen sowie das Finden von geeigneten Lösungen zur Sicherstellung von Weiterbildungen weiterhin bei den Unternehmen selbst verortet. Dennoch sind Weiterbildungsverbünde ein Lösungsweg, um im Sinne notwendiger Veränderungen für Veränderungen in der und durch Weiterbildung zu interessieren und zu begeistern.

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